Michael Weber

Das Buch „Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen!“ von Melanie Joy (2015), war für mich ein toller Begleiter in der letzten Fastenzeit, weil sie in ihrem Werk aufzeigt, dass wenn wir das Fleisch eines Tieres essen, wir uns Schemata für Tiere zulegen, die „essbar bzw. nicht essbar“ sind. Diese Schemata dienen uns als geistige Klassifikationssysteme. Es scheint besonders zu sein, dass wir eine Reaktion auf „nicht-essbare“ Tiere zeigen, jedoch auf „essbare“ Tiere – im westlichen Kulturkreis sind das Hühner, Puten, Schweine, Rinder, Schafe, etc. – keine Reaktion zeigen. Diese Wahrnehmungslücke bezeichnet die Autorin als „missing-link“ und ist der Ansicht, dass die Nicht-Reaktion auf die oben beschriebenen Fleischarten nicht angeboren, sondern konstruiert ist. Ein komplex strukturiertes Glaubenssystem gibt also vor, welche Tiere für uns „essbar“ sind und hält jegliches psycho-emotionale Unbehagen dabei von uns fern. Das gesellschaftlich-kulturelle System bringt uns bei, nicht zu fühlen. Als offensichtlichste Empfindung verlieren wir unseren Ekel, doch hinter diesem Ekel verbirgt sich ein Empfinden, das für unser Selbstgefühl sehr viel wesentlicher scheint: unsere Empathie.
Und gerade als (Sozial-)Pädagoge höre ich sehr oft, dass Schüler*innen sich mobben, gemein sind und sich gegenseitig fertig machen und teilweise „rohe Gewalt“ unter Jugendlichen herrscht.
Aber auch das System „Tiere essen“ baut auf allumfassender Gewalt auf. Vom Artensterben im Amazonas, bis hin zu 150.000.000.000 Tier-Schlachtung weltweit. Von der Gewalt gegen die Erde im Sinne der Klimakatastrophe, sowie die globale Covid-19-Pandemie, die durch das menschliche Eindringen in den Lebensraum von Wildtieren ausgehend, ihren Lauf genommen hat und die Welt in vielerlei Hinsicht „in Schach“ hält. Dennoch wird an diesem System festgehalten. Zur Massentierhaltung und Gewalt in unseren Klassenzimmern gibt es laut der Allgemeinen Systemtheorie Parallelen.
Wir essen Fleisch, weil es uns Menschen schmeckt und „weil es halt einfach so ist“. Fleischessen stellt den „Normalfall“ dar. Wir essen Tiere, ohne darüber nach zu denken was wir da, und warum wir es tun, da im unbewussten kollektiven Gedächtnis die Mechanismen der Abspaltung und Betäubung arbeiten. Das Glaubenssystem hinter dieser Verhaltensweise, der „Karnismus“, ist eine schwer zu durchschauende Ideologie und vor allem – unsichtbar.
Auch Mobbing und vor allem die Spielarten des Cybermobbings, laufen ebenso im Verborgenen. In Täter*innen-Befragungen antworten diese oftmals, dass sie gar nicht genau wissen, warum sie wem anderen etwas antun oder dass ihre Taten möglich waren, weil das gegenüber sich nicht wehren konnte.
Dass wir Tiere, die sich ebenso nicht wehren können, essen gilt allgemein akzeptiert und ist einer Ideologie geschuldet, die so fest verankert ist, dass sie als normal und vernünftig gilt, selbst wenn – so wie es die (Massen-)Tierhaltung mit sich bringt – die Klimakatastrophe durch das System „Tiere essen“, weiterhin enorm befeuert wird. So wie wir die Massentode der Tiere nicht wünschen, wünschen wir uns auch Frieden in unseren Klassenzimmern. Mein Tipp: Lesen Sie mal rein und horchen Sie dann in sich! Gute Fastenzeit.
Mag. Dr. Michael Weber, Sozial- und Ökologpädagoge